Basserweiterung mit Devialet Expert

von Simon Nilson, Berlin 29.05.2019

Diverse Hersteller bieten Geräte zur Erweiterung der unteren Grenzfrequenz von Lautsprechern an. Es muss jedoch nicht immer ein externes Gerät sein. Insbesondere, wenn das Gerät zur Basserweiterung nur für bestimmte Lautsprecher eines Herstellers konzipiert wurde ist diese Lösung ohnehin außenvor.

Abhilfe schaffen da einige der moderneren Verstärker, die bereits ein recht variables Tone-Management an Board haben. Im folgenden wollen wir dies mit unserem Devialet Expert 140 Pro ausprobieren und euch zeigen, wie die Einstellung ohne zusätzliches Equippment wie ein Messmikrophon gelingt.

Warum elektrische Basserweiterung

Es gibt viele Gründe, die für dieses Vorgehen sprechen. Um ein paar zu nennen:

  1. Regallautsprecher sind fast immer 2-Wegelautsprecher. Um bei Bassreflex-Gehäusen die mittelfrequenten Schallanteile, die aus dem Bassreflexrohr kommen vom Hörer fernzuhalten, findet sich das Bassreflexrohr fast immer auf der Rückseite des Lautsprechers. Eine wandnahe Aufstellung, wie Sie für einen Regallautsprecher üblich ist, wird dann jedoch mit dröhnendem Bass gedankt. Lösung: wir verschließen dass Bassreflexrohr und entzerren den Bass aktiv mit der Basserweiterung.
  2. Die vormals basskräftigen Standlautsprecher schwächeln nach dem Umzug in ein deutlich größeres Zimmer im Bass. Damit die ansonsten liebgewonnenen Lautsprecher nicht „größeren“ neuen Lautsprechern weichen müssen oder eine fragwürdige Subwoofer-Lösung entsteht kann mit einer elektrischen Basserweiterung nachgeholfen werden.
  3. Der mechanisch erreichte Tiefgang eines Lautsprechers wird maßgeblich von dessen Gehäusegröße bestimmt, sofern man nicht einen unterirrdisch schlechten Wirkungsgrad in Kauf nehmen möchte. Wenn jedoch aus optischen Gründen in einer familiären Wohnsituation nicht alle Familienmitglieder mit „Männerlautsprechern“ zufrieden sind, kann die Basserweiterung helfen, aus einem vermeintlich zu kleinen Lautsprecher dennoch den Tiefgang zu kitzeln, der den eigenen Ohren gefällt.

Bassrelfexkanal verschließen

Damit die elektrische Basserweiterung gelingt, müssen wir das Bassreflexrohr verschließen.

Vergleich zwischen einem geschlossenen Gehäuse (blau) und einem Gehäuse mit Bassreflex (grün) Simulationssoftware: WinISD

Schauen wir uns zunächst an, warum wir das Bassreflexrohr verschließen müssen.Mit dem kostenlosen Tool WinISD stellen wir dazu im Vergleich den Frequenzgang von der Variante „Bassreflex“ (grün) und der Variante „Geschlossenes Gehäuse“ (blau) gegenüber. Das simulierte Chassis ist ein Morel H6.1, wie es in jeder handelsüblichen Regalbox verbaut sein könnte. In beiden Fällen beträgt das Gehäusevolumen 11L. (X-Achse: Frequenz in Hz; Y-Achse: Amplitude in dB)

Wie wir sehen erreichen wir durch die Bassreflexabstimmung (grün) etwa bis zu 5dB mehr Pegel im oberen Bassbereich. Interessanterweise strahlt das geschlossene Gehäuse (blau) jedoch unterhalb von knapp 36Hz wieder mehr Schalldruck ab, als die Variante „Bassreflex“ – und das mit fallender Frequenz immer deutlicher. Das liegt daran, dass in diesem Freuqnzbereich die Schallabstrahlung zwischen der Vorderseite der Membran und dem Schallanteil aus dem Bassreflexrohr nicht mehr phasengleich erfolgt. Beide Schallanteile löschen sich gegenseitig aus. Gleichzeitig steigt jedoch auch die Auslenkung der Membran stark an, da der Lautsprecher in diesem Freuquenzbereich durch das Bassrelfexrohr „denkt“, er hätte kein Gehäuse mehr.

Das ein exorbitanter Membranhub und kaum nennenswerte Schallabstrahlung keine gute Kombination sind und den schnellen Lautsprechertod bedeuten, wird sich jeder selbst denken können. Insbesondere dann, wenn wir jetzt versuchen wollten, den Freuqnzgang künstlich elektrisch zu erweitern. Daher verschließen wir das Bassrelfexrohr.

Messung am Beispiel

Wir sagten zwar, dass wir zeigen wollen wie ihr das ohne Messequipment einstellen könnt, jedoch ist Messequipment für uns äußerst nützlich die grundlegenden Verhaltensmuster zu erkennen, nach denen Ihr das System dann einstellen könnt. Zudem lassen sich so auch mehr Bilder zur Auflockerung des Textes in diesen Bericht stecken und Ihr könnte das gesagte besser nachvollziehen 😉

Im Test haben wir dazu unsere Martin Logan Motion 35XT mit dem Devialet Expert 140 Pro verheiratet.  Im Gegensatz zu seinen größeren Brüdern/Schwestern ist die Martin Logan Motion 35XT nun nicht gerade dafür bekannt ein Basswunder zu sein. Soll sie ja auch nicht, denn wandnahe Aufstellung in Regalen erweitert den Bass in der Regel deutlich. Daher war es für uns der ideale Kandidat für den Test mit der elektrischen Basserweiterung.

Testumgebung

Wie sieht unsere Testumgebung aus?! Um euch das zu zeigen, nutzen wir das kostenlose Programm Room EQ Wizard (REW). Dieses bringt für den Bassbereich einen Raumsimulator mit, in dem man verschiedene Aufstellungen der Lautsprecher und der Sitzpositionen simulieren kann, ohne dafür jedes Mal in echt alles aufwendig verschieben zu müssen.

Es gilt zu beachten, dass diese Art der Simulation nur für im großen und ganzen quaderförmige Räume funktioniert. Unser großer Hörraum sieht wie folgt aus:

Skizze unseres großen Hörraums

Ob die Abweichungen in der Grundfläche vom idealen Rechteck einen Effekt haben und wie dieser aussieht werden wir in den späteren Messungen noch sehen.  Gefüttert haben wir das Simulationstool auf jeden Fall mit den Maßen, welche durch die grünen Pfeile dargestellt sind.

Unser Raum hat dabei die Maße 4,25m x 6,65m x 2,78m. Die Absorbtionsgrade sollten so belassen werden, wenn man sich unsicher ist. Da unsere Rückwand zu größeren Teilen aus dünnem alten Fensterglas besteht und die vom Fensters aus rechts liegende Wand lediglich eine dünne Gipswand ist, haben wir für diese beiden Parameter den Wert auf 0,2 angehoben. Wichtig ist das jedoch kaum, da hiermit zum Großteil nur die Stärke der Raummoden beeinflusst wird. Da die Tür und die Fenster zum Hören geschlossen sind bekommt das Kästchen „Room is sealed“ noch Häckchen.

REW – Raum Simulator: Grunddaten des Raums

Unten links können wir nun die Lautsprecher und die Hörposition durch Drag’n’Drop in allen 3 Raumdimensionen so positionieren, dass sie der Wirklichkeit entsprechen. Die Aufstellung von Couch und Lautsprechern haben wir so gewählt, wie sie wohl in vielen deutschen Haushalten vorkommen dürfte – nämlich beides wandnah.

REW – Raum Simulator: Aufstellung von Hörplatz und Lautsprecher

Im rechten unteren Bereich können wir in den Reitern verschiedene Angaben tätigen. Unter anderem auch das Bassverhalten unserer Lautsprecher. Dabei stehen Sub1/Sub2 jeweils für den rechten und linken Lautsprecher. Wir machen dann Angaben zur unteren Grenzfreuquenz sowie zum Gehäuseprinzip. Wir übernehmen die Herstellerangabe von 50Hz sowie „Ported“ für Bassreflex.

REW – Raum Simulator: Einstellung der Lautsprecher

Nachdem wir unseren Raum, die Aufstellsituation und die Bassfähigkeiten unserer Lautsprecher eingestellt haben, zeigt uns das Programm den für den Bassbereich zu erwartenden Frequenzgang mit all seinen Raummoden (als senkrechte bunte Linien dargestellt).

REW – Raum Simulator: der zu erwartende Raum-Frequenzgang

Wenn wir uns eine gedachte Linie für den durchschnittlichen Pegel im Frequenzgang einzeichen, können wir im Bass ablesen, dass die Lautsprecher linear ungefähr bis etwas über 50Hz spielen, bevor der Bass abfällt. Bei 41Hz haben wir unsere letzte relevante Raummode, die zwar den Bassbereich in der Amplitude erweitert, jedoch auch ein extrem langes nachschwingen mitbringt – man kennt es auch als Dröhnen.

REW – Raum Simulator: der zu erwartende Raum-Frequenzgang mit gemitteltem Frequenzverlauf

Ziel ist es jetz, die Wiedergabe bis unter die letzte Raummode zu erweitern.

Schauen wir uns also an, wie sich die Realität verhällt. Dafür messen wir zu erst die Ausgangssituation mit unseren Martin Logan 35XT.

Raummessung von Martin Logan Motion 35XT

Für diese erste Messung war das Bassreflexrohr der Lautsprecher offen. Im großen und ganzen deckt sich der Frequenzgang mit dem, was uns REW prognostiziert hatte. Die unterste Raummode sitzt auf Grund der großflächigen Fenstereinbuchtungen einige Hz tiefer als erwartet (Abweichung des Raums vom idealen Quader). Die Senke um 50Hz exisitiert in der Messung genauso wie in der Simulation.

In einer zweiten Messung verschließen wir jetzt das Bassreflexrohr der Lautsprecher mit Stopfen.

Raummessung von Martin Logan Motion 35XT; blau: Bassreflexrohr offen; orange: Bassreflexrohr verschlossen

In Orange dargestellt sehen wir im Vergleich die Messung der nun geschlossenen Lautsprecher. in der Tat können wir genau das beoachten, was uns WinISD zu Beginn gezeigt hatte. im oberen Bassbereich nimmt der Pegel durch die fehlende Unterstützung des Bassreflexrohrs ab. Gleichzeitig gewinnt der Bereich unterhalb von 45Hz an Pegel, da sich nun die Schallanteile aus Bassreflexrohr und Chassis nicht mehr gegenseitig auslöschen können.

Insgesamt klingt es jetzt trotz wandnaher Aufstellung verständlicherweise sehr dünn. Daher wollen wir jetzt unseren Devialet Expert 140 Pro bemühen, um den Bass entsprechend anzuheben.

In unserem Fall handelt es sich nur um Regallautsprecher. Da der Devialet den Bass auch bis in den Infraschallbereich anheben wird, schützen wir unsere Lautsprecher als erstes durch die Aktivierung des Subsonic.

Devialet Expert Einstellmenü: Subsonic

Wer diesen Bericht mit bass-potenteren Lautsprechern umsetzt, kann diesen Schritt auch weglassen.

Im zweiten Schritt passen wir die Frequenz an, ab der der Devialet den Bass anheben soll. Wir halten uns hierfür wieder an die Herstellerangabe von Martin Logan für die untere Grenzfrequenz: 50Hz.

Devialet Expert Einstellmenü: Bass Control

Diese Einstellung findet man ebenfalls unter „General settings“, indem man dann im Reiter „Balance & Tone Control“ auswählt. Im Anschluss wird das Setup wieder wie gewohnt auf der SD-Karte gespeichert.

Im Auslieferungszustand eines Devialets ist der untere rechte Knopf der Fernbedienung für das Aufrufen der Ton-Kontrolle konfiguriert. Bei einmaligem Drücken auf diese Taste landen Sie in der Einstellung für die Balance. Nochmaliges Drücken lässt sie in die Einstellung für den Bass springen. Hier können Sie jetzt durch Drehen des manuellen Reglers auf der Fernbedienung die Anhebung (oder auch Absenkung) des Basses in 0,5dB-Schritten einstellen.Ist das eingestellt können Sie das Menü durch einen kurzen Druck auf die oberste Taste der Fernbedienung wieder verlassen.

Für den Start stellen wir hier +6dB ein (je nachdem in welcher Quelle man liest ist dies die untere Grenze für das, was der Mensch als doppelte Lautsärke wahrnimmt) und schauen uns das Ergebnis messtechnisch an.

Raummessung von Martin Logan Motion 35XT; blau: Bassreflexrohr offen; orange: Bassreflexrohr verschlossen; grün: geschlossen +6dB

Im Diagramm sind wieder die ursprünglichen Messungen von der Martin Logan Motion 35XT dargestellt (blau mit offenem Bassreflexrohr/ orange mit verschlossenem Bassreflexrohr.). Die neue grüne Kurve zeigt den Verlauf mit durch den Devialet angehobenem Bass. Auffällig ist, dass von den eingestellten +6dB nur etwa +3dB bei den Lautsprechern ankommen. Aus der Messung geht auch hervor, dass im Vergleich zur Variante mit offenen Bassreflexrohren der Pegel unterhalb von 60Hz angehoben wird. Als in etwa die Frequenz, ab der laut REW der Frequenzgang fallend ist.

Um die Analyse der Messung etwas einfacher zu gestalten, schauen wir uns das Messergebnis nochmal mit stark geglättetem Verlauf an.

Raummessung von Martin Logan Motion 35XT; blau: Bassreflexrohr offen; orange: Bassreflexrohr verschlossen; grün: geschlossen +6dB; smoothing 1/1

Was direkt auffällt: Oberhalb von 80/90HZ folgt der Frequenzgang sehr schön dem Frequenzgang mit offenem Bassreflexrohr. Darunter gibt es es im Vergleich noch eine moderate Bassanhebung von 1dB. Im Gegensatz zur Variante mit offenem Bassreflexrohr wird der Pegel im Bass jedoch bis unter 40Hz konstant gehalten – so wie wir uns das vorgestellt hatten.

Und wie klingts?

Das mehr an Tiefgang ist deutlich hörbar. Besonders Musik, die von tieffrequenten Inhalten lebt macht auf den Lautsprechern auf diese Weise wesentlich mehr Spaß. Straw Hats von Bodi Bill oder Go von Oliver Schories ließen nun nicht mehr den Wunsch nach einem Subwoofer aufkommen.

Spaßeshalber haben wir beim Devialet im Anschluss noch +10dB für den Bass eingestellt (je nachdem in welcher Quelle man liest ist dies die obere Grenze für das, was der Mensch als doppelte Lautsärke wahrnimmt).

Raummessung von Martin Logan Motion 35XT; blau: Bassreflexrohr offen; orange: Bassreflexrohr verschlossen; grün: geschlossen +6dB; rot: geschlossen +10dB; smoothing 1/1

Die rote Kurve zeigt hier die Version mit +10dB für den Bass. Auch hier scheint der Devialet die +10dB wieder nur mit knapp der Hälfte auf die Lautsprecher zu geben. Aber auch wenn es jetzt nur 2dB mehr sind, klang uns die Musik zu wuchtig. Wie unschwer erkennbar ist, wird bei dieser Einstellung auch der Oberbass ein gutes Stück über den normalen Frequenzgang angehoben, sodass wir nun nicht mehr nur den Tiefgang beeinflussen, sondern auch den Klangcharakter des Lautsprechers selbst.

Dennoch kann diese Einstellung bei einigen Lautsprechern sinnvoll sein. Besonders sehr kleine Lautsprecher sind häufig zu tief abgestimmt. So bekommt man zwar aus kleinem Gehäusevolumen noch akzeptablen Tiefgang. Jedoch handelt man sich dabei oft eine Senke im Oberbassbereich ein.

Fazit

Ziel dieses Artikels war es, euch Vorgaben für die Einstellungen an Devialet Expert-Geräten zu liefern, sodass jeder das Bass-Management für seine Lautsprecher nutzen kann, ohne auf Messequipment zugreifen zu müssen.

  1. Bassreflexrohr verschließen
  2. Subsonic aktivieren (optional)
  3. Bass-Filterfrequenz auf die Frequenz einstellen, die der seriöse Lautsprecherhersteller als untere Grenzfrequenz angibt.
  4. Basspegel auf +6dB einstellen.
  5. Mit Musik testen.

Es gilt zu beachten, dass dies lediglich Richtwerte für einen ersten Test sind. Lautsprecher verhalten sich bei verschließen des Bassreflexrohrs mitunter recht unterschiedlich, was das Verhalten im Frequenzgang angeht. Auch die Angabe der Lautsprecherhersteller hinsichtlich der unteren Grenzfrequenz kann sehr unterscheidlich sein. Bei Canton können bspw. ALLE??? Lautsprecher angeblich bis 20Hz spielen. Einige geben als untere Grenzfrequenz f8 (also Abweichung von -8dB vom linearen Verlauf) an, andere nur f3, wieder andere f10.

Es sollte also sowohl im Pegel um ein paar dB nach oben und unten getestet werden als auch die Frequenz um bis zu +-10Hz verändert werden.

Man sollte beachten, dass der Verstärker im Anschluss deutlich mehr Leistung liefern muss. Wie gut, dass selbst der kleinste Devialet Expert 140 Pro genug Leistung für solche Spielerein mitbringt. Wer dann noch gerne sehr laut hört findet im Devialet Expert 220 Pro seinen passenden Partner.

Das Hifi Studio 10 wünscht all den glücklichen Devialet Expert Besitzern und denen die es werden wollen viel Spaß beim ausprobieren.

Wir sind nicht perfekt. Wer also inhaltliche Fehler findet oder Verbesserungen vorschlagen möchte, kann uns dies gern über unser Kontaktformular, über Facebook oder per Telefon kommunizieren.

Dipl-Ing Simon Nilson